GÜNTHER ROTHE –
LEBEN FÜR DIE KUNST
Design
Aber die Malerei blieb nicht das einzige Feld, das sich Günther Rothe nach seiner Musikkarriere neu erschloss. Er war auch verschiedentlich als Designer tätig. Wie vieles in seinem Leben geschah dies oft aus Anlass von Gelegenheiten, z.B. wenn Unternehmer aus seinem Bekanntenkreis einen Bedarf äußerten, den er erfüllen konnte. Aber er stieß auch selber Projekte an, sobald er an vorhandenen Lösungen einen ästhetischen oder funktionalen Mangel entdeckte, der ihn nicht ruhen ließ, bis er behoben war.
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Ästhetik und Funktionalität bilden das Spannungsfeld, in dem sich jeder Entwurf bewegt. Zwar würden viele heute behaupten, dass die Funktionalität allein entscheidet, aber Günther Rothe strebt nach einer Symbiose beider. Wenn er das Bauhaus-Kredo „Form folgt Funktion“ als den Leitgedanken seiner Entwürfe ausgibt, dann niemals so verengend und rigoros wie dessen Schöpfer. Zwar bildet Funktionalität immer die Basis eines Designs, weil jeder Gegenstand, der kein reines Kunstwerk ist, zu einem bestimmten Zweck geschaffen wurde und diesen auch erfüllen muss, wenn er nicht als misslungen gelten will. Aber andererseits bleibt zu bedenken, dass Menschen sich nicht mit Zweckerfüllung begnügen müssen, weil sie keine Maschinen sind. Sie haben das Recht, sich mit Gegenständen umgeben zu wollen, die sie mögen und als schön empfinden, ohne sich dafür entschuldigen zu müssen. Aus diesem doppelten Anspruch entspringt die Aufgabe für den Designer, Ästhetik und Funktionalität in seinem Entwurf zu vereinen.
Die Spielarten dieser funktional-ästhetischen Symbiose sind zweifellos mannigfaltig, und jeder Designer kann eigene Wege finden, sie zu erreichen. Rothes Ansatz lässt sich mit „immanenter Schönheit“ oder „eleganter Schlichtheit“ umreißen. Schlicht sind seine Entwürfe, indem sie keinen aufgesetzten Zierrat verwenden, sondern sich auf die Elemente beschränken, die funktional gerechtfertigt sind. Aber indem diese Elemente nicht in Sachlichkeit erstarren, sondern, jedes für sich, so formschön und ansprechend wie möglich sein wollen, entspringt eine elegante Erscheinung. Diese Herangehensweise kann mit der japanischen Küche verglichen werden, die ihre Zutaten als solche zur Geltung bringen will, statt sie mit Gewürzen zu übertünchen.
Ein gutes Beispiel für Rothes Ästhetik, bildet die Uhr, die er 1999 für die Schweizer Marke Saint-Blai entworfen hat. Ein befreundeter Unternehmer hatte Anteile an Saint-Blaise erworben und zeigte Rothe einige Modelle, die andere Künstler für die kommende Kollektion beigesteuert hatten. Aber Rothe empfand sie alle als zu klobig und zu unförmig. Eine Uhr, die durch zahlreiche Komplikationen oder ihre überreiche Ausstattung so groß geraten ist, dass sie nicht mehr bequem unter die Hemdmanschette passt, ergab für ihn keinen Sinn. Armbanduhren sind keine Turmuhren und müssen tragbar bleiben. Also setzte er sich daran, den vollkommenen Gegenentwurf zu zeichnen: Eine vergleichsweise kleine und flache Uhr, die sich auf die wesentlichen Anzeigen von Zeit und Datum beschränkt, diese aber gut ablesbar und formschön in Szene setzt. Das Ergebnis war ebenso prototypisch wie markant.
Die japanische Küche bot auch in einem konkreten Fall die entscheidende Inspiration, nämlich für Günther Rothes Grill. Während eines Japanaufenthalts erlebte er in einem Restaurant, wie es den Köchen gelang, Fleisch so schonend zu grillen, dass keine Verbrennungen entstanden. Daraufhin überlegte er, wie ein Grill gestaltet werden müsste, damit dieses Ergebnis auch dem Laien unter seinen heimischen Bedingungen jederzeit möglich wäre. Dabei war klar, dass das Problem beim Rost selbst liegt, dessen Stangen über dem Feuer deutlich heißer werden als die Umgebungsluft. Dadurch verbrennen sie bei Berührung das Fleisch und bilden giftige Stoffe, die sich obendrein in dicken Krusten ablagern und später nur noch schwer zu entfernen sind. Die Lösung bestand in einer innovativen Kühlung, die permanent Kühlwasser durch die Stangen leitet und ihre Temperatur unter 100°C hält, um Verbrennungen und Verkrustungen zu verhindern. So entsteht nicht nur gesünderes Grillgut, sondern auch deutlich geringerer Aufwand beim Reinigen.
Den Anstoß für seine Möbelserie Optimento bot Günther Rothe sein eigener Bedarf. Er war mit den Angeboten am Markt unzufrieden und begann deshalb, Möbel zu entwerfen, die seinen Ansprüchen gerecht wurden. Dabei ging es ihm vor allem um eine bessere Raumausnutzung.
Da Möbelstücke den Raum, den sie umgeben, nie vergrößern können, ist es entscheidend, dass sie ihn effektiv nutzen und so übersichtlich wie möglich darbieten. Das war die Leitidee der Serie, die durch eine geschickte Aufteilung von Fächern und Laden sowie neuartige Öffnungsmechanismen verwirklicht werden konnte.
Leichte Handhabung und gute Ergonomie bildeten weitere entscheidende Kriterien. Schließlich sollen Möbelstücke ihren Nutzern dienen, nicht umgekehrt. Hochwertige Materialien und deren handwerkliche Verarbeitung verleihen den Möbeln ihre bleibende Qualität.
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